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Nießbrauchrechte in der Verkehrswertermittlung

Wohl kein anderes Recht kann so weit reichende Folgen für die Nutzung eines Grundstücks und in Folge dessen für den Verkehrswert haben, wie der Nießbrauch. Der Nießbrauch ist das höchstpersönliche, nicht vererbbare und nicht übertragbare Recht, sämtliche Nutzungen aus dem belasteten Grundstück zu ziehen. Gegenstand des Nießbrauchs können nicht nur Sachen sein (z.B. Grundstücke oder bewegliche Sachen), sondern auch Rechte und Vermögen. Die nachfolgenden Abhandlungen beziehen sich nur auf den Nießbrauch von Grundstücken. Gesetzliche Grundlage bilden die §§ 1030 bis 1067 BGB. Der Nießbrauch wird zugunsten einer oder mehrerer Berechtigten bestellt. Er ist dinglich gesichert in Abteilung II des belasteten Grundstücks. Nießbrauch und Wohnungsrecht haben zwar viele Gemeinsamkeiten, in einem Punkt unterscheiden sie sich allerdings: Beim Nießbrauch kann der Berechtigte i.d.R. alle Nutzungen aus dem Grundstück ziehen. Anders als beim Wohnungsrecht liegt dem Nießbrauch nicht der Gedanke der Eigennutzung (Wohnnutzung durch den Berechtigten beim Wohnungsrecht) zugrunde. Die Nutzungsausübung kann beim Nießbrauch grundsätzlich auch einem Dritten überlassen werden. Der Nießbraucher ist dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache ruhenden öffentlichen Lasten und Abgaben sowie diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten. Dazu zählen insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Bei der Wertermittlung ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob der Wert des Nießbrauchs selbst oder dessen Einfluss auf den Wert des belasteten Grundstücks zu ermitteln ist. Wie beim Wohnungsrecht gibt es beim Nießbrauch aufgrund der Höchstpersönlichkeit keinen Markt. Der Markt muss daher fiktiv nachvollzogen werden. Soll z.B. der Nießbraucher sein Recht aufgeben, so ist ihm der Wert des Rechts zu entschädigen. Der hierfür angemessene Ablösebeitrag orientiert sich an dem wirtschaftlichen Vorteil, den das Recht dem Nießbraucher gewährt. Ähnlich wie beim dem Wohnungsrecht wird dieser Vorteil, je nach Art und Ausgestaltung des Vertrages, kapitalisiert (z.B. mittels Leibrentenbarwertfaktoren) ggf. zuzüglich eines Zuschlags, sofern das Recht eine höhere Sicherheit als auf dem freien Markt bietet (vgl. Wohnungsrecht). Im Unterschied zu diesem werden, sofern Grundschulden und/oder Nutzungsentgelte zu zahlen sind, diese ebenfalls kapitalisiert und vom zuvor ermittelten Barwert in Abzug gebracht. Die Differenz aus dem Barwert der Vorteile aus dem Nießbrauch (z.B. ersparte Miete sowie Unkündbarkeit und Sicherheit vor Mieterhöhungen) und dem Barwert der Nachteile (z.B. Zinslast für Grundschuld / Nutzungsentgelt) ergibt den Wert des Nießbrauchs. Auch hier muss (wie beim Wohnungsrecht) zwischen typischen Sachwertobjekte (eigen genutzten Einfamilienhäuser) und typischen Ertragswertobjekten (vermiete Mehrfamilienhäuser) unterschieden werden. Beim Ertragswertobjekt verliert der Eigentümer durch den unentgeltlichen Nießbrauch die ihm sonst unter Berücksichtigung der Miethöheregelung des BGB zustehende, ortsüblich nachhaltig erzielbare Miete; so das die Wertermittlung vorrangig am Mietwert zu orientieren ist. Beim Sachwertobjekt orientiert sich die Wertminderung durch den Nießbrauch nicht vorrangig am Mietwert des Grundstücks. Vielmehr ist hier die entgangene Nutzung wertmindernd in Ansatz zu bringen. Ein Käufer, der ein mit einem Nießbrauch belastetes Einfamilienhaus erwirbt, erhält - zunächst - quasi nur eine Option auf das Haus. Er kauft das Haus jetzt, nutzen kann er es erst nach meist unbestimmter Zeit, z.B. wenn der Nießbraucher verstorben ist. In diesem Fall ist zunächst der unbelastete Verkehrswert zu ermitteln. Als Restnutzungsdauer wird die Anzahl der Jahre zugrunde gelegt, die das Gebäude nach Ablauf des Rechts noch hat. Dieser Wert wird mittels des sog. ?an das Leben gebundenen Abzinsungsfaktors? abgezinst. Damit wird berücksichtigt, dass der Erwerber die Immobilie erst nach einer zum Zeitpunkt des Kaufs ungewissen Zukunft in Besitz nehmen und die Immobilie zwischenzeitlich nicht nutzen kann. Zusätzlich sind die vom Grundstückseigentümer zu tragenden Kosten und Lasten wertmindernd zu berücksichtigen. Auf diesen Wert wird im Hinblick auf die sehr eingeschränkte Nachfrage nach solchen Objekten ein Abschlag an die Marktverhältnisse vorgenommen. Nießbrauch in der Ehescheidung Kein Vermögenszuwachs Ist im Rahmen einer Ehescheidung der Zugewinnausgleich zu ermitteln, ist in bestimmten Fällen die Belastung der Immobilie durch einen Nießbrauch bei der Bewertung nicht wertmindernd zu berücksichtigen. Der Fall: Von ihren Eltern bekam eine verheiratete Frau ein Zweifamilienhaus geschenkt. Im notariellen Übertragungsvertrag lassen sich die Eltern einen unentgeltlichen Nießbrauch bis zum Tode des Letztlebenden einräumen. Das Recht wurde im Grundbuch eingetragen. Die Eltern versterben noch während der Ehe. Kurze Zeit später lassen sich die Ehegatten scheiden. Anlässlich der Scheidung ist der Zugewinn zu bestimmen. Hierfür ist das Anfangs- und Endvermögen zu bestimmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass die Belastung durch den Nießbrauch im Anfangsvermögen nicht wertmindernd zu berücksichtigen ist. Andernfalls würde die mit dem Wegfall des Nießbrauchs einhergehende Wertsteigerung der Immobilie den Zugewinn der Ehefrau erhöhen. Dies ist jedoch nicht gewollt, weil es sich hierbei im Sinne des § 1374 Abs. 2 BGB um Vermögen handelt, das der erbende Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen bzw. mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erhalten hat. Der Gesetzgeber und der BGB empfanden einen Vermögenszuwachs dieser Art nicht als einen Erwerb, an dem der andere Ehegatte im Rahmen des Zugewinnausgleichs beteiligt werden soll. Der BGB nennt das dann als "privilegiertes Anfangsvermögen".